Institut für Deutsche Philologie
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Neuedition der Fragmente des Nibelungenliedes

Forschungsprojekt, gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung (Laufzeit: 2018–2020)

Leitung

Prof. Dr. Jan-Dirk Müller

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Nadine Popst, M.A.

Studentische Hilfskraft

Madlen Hiereth

nl-4Mit der Wiederentdeckung des »Nibelungenliedes« im 18. Jahrhundert begannen auch die Fragen seiner Überlieferungsgeschichte, die später in erbitterte Kontroversen der Editionsgeschichte mündeten. Die Editionen kreisten zunächst um die drei ältesten vollständigen Handschriften A (Hohenems-Münchener), B (St. Gallener) und C (Hohenems-Donaueschinger, heute in Karlsruhe). Basis der meisten Forschungsbeiträge ist bis heute eine Ausgabe von B, die jedoch einen Mischtext enthält, der so nirgends überliefert ist. Das Spektrum komplizierte sich zusätzlich durch die Editionen der sog. kontaminierten Handschriften, die Merkmale der Handschriftengruppen *AB bzw. *C mischen. Zum aktuellen Forschungsstand gehören die Einsichten, dass die Erstellung eines Handschriftenstemmas oder eine Annäherung an einen der Gesamtüberlieferung zugrunde liegenden "Archetyp" nicht möglich ist, dass zudem die Dominanz zweier Überlieferungsgruppen (*AB, *C) überprüft oder revidiert werden muss und dass die Überlieferung insgesamt ein hohes Maß an Varianz aufweist, sowohl in Bezug auf konzeptionelle Fragen als auch im Bereich der sog. "iterierenden" Varianten.

Das Varianzspektrum ist sogar noch wesentlich breiter als vormals vermutet und wird in der Editionspraxis bis dato verdeckt, sodass die Überlieferungsgeschichte in weiten Teilen neu zu schreiben ist. Für diese Langzeitaufgabe möchte dieses Projekt einen unverzichtbaren Baustein liefern: eine Neuedition der Fragmente des "Nibelungenliedes", auf deren Grundlage die Fragmente möglichst präzise in der Überlieferungsgeschichte verortet werden können. Die Voraussetzungen für eine solche Ausgabe sind – dank fertiggestellter Editionen der nahezu vollständigen sowie der kontaminierten Handschriften, Wiederentdeckungen von Kriegsverlusten und aktueller Digitalisierungsmöglichkeiten – jetzt günstiger als je zuvor. Von einer solchen Edition werden zwar keine spektakulären konzeptionellen Varianten erwartet, wohl aber insofern ertragreiche Einsichten, als sich gerade an den Fragmenten das Ausmaß an Varianz in der Überlieferungsgeschichte ersehen lässt.

Die Ergebnisse werden zunächst in einer Printausgabe präsentiert, doch wird das Material elektronisch so aufbereitet, dass es später digitalisiert als Grundlage für die Revision der Gesamtüberlieferungsgeschichte zur Verfügung steht.